Arthrose ist weltweit die am häufigsten vorkommende Gelenkerkrankung bei Erwachsenen. Allein in Deutschland leiden fünf Millionen Menschen darunter und die Tendenz ist steigend.
Die Erkrankung betrifft häufig Gelenke wie Knie, Hüfte, Schultergelenke, Hände und Finger sowie die Füße und geht oft mit schmerzhaften Beschwerden einher. Herkömmliche Behandlungsmethoden konzentrieren sich daher auf die Linderung von Symptomen wie Schmerzen und Steifheit. Doch die Art und Weise, wie Arthrose wahrgenommen und erlebt wird, ist äußerst individuell und komplex. Neben physischen Faktoren spielen auch mentale und emotionale Aspekte, der Lebensstil inklusive Ernährung und körperlicher Aktivität sowie soziale Faktoren und Ängste eine Rolle. Daher kann Arthrose heute nicht mehr ausschließlich als isoliertes Gelenkproblem betrachtet werden, sondern gilt als biopsychosoziale Erkrankung. Neben gezielter Bewegungstherapie kann eine erfolgreiche Behandlung daher auch die Einstellung und das „Mindset“ der Betroffenen, Gewichtsreduktion bei Übergewicht, Physiotherapie und physikalische Therapien umfassen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der bei der Arthrose-Behandlung oft übersehen wird, ist der Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und der Erkrankung. Mehr als zwei Drittel der Arthrose-Patienten leiden unter Schlafproblemen, die sich in Form von Einschlaf- und Durchschlafstörungen sowie nächtlichem Aufwachen äußern können. Der Hauptgrund für den gestörten Schlaf sind Schmerzen. Doch Schmerzen und Schlafqualität sind eng miteinander verbunden. Schmerzen können den Schlaf stören und schlechter Schlaf verstärkt den Schmerz. Experten sprechen von einer „Schmerz-Schlaf-Beziehung“. Doch was genau geschieht in unserem Körper im Schlaf? Während wir schlafen, stellt unser Körper Energie für körperliche Reparaturprozesse
bereit, er kann sich erholen und regenerieren. Besonders wichtig für diese Vorgänge sind die Tiefschlafphasen. Im Tiefschlaf werden Wachstumshormone ausgeschüttet, die Zellen reparieren und erneuern. Muskel- und Knochenmasse wird aufgebaut und das Immunsystem gestärkt. Schlafmangel kann unter anderem den Stoffwechsel beeinflussen und das Risiko für Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen erhöhen. Das Schlafhormon Melatonin, das in der Nacht produziert wird, wirkt antioxidativ und unterstützt den Körper dabei, entzündliche Prozesse zu bekämpfen oder ihnen vorzubeugen. Schlaf ist auch für unser Gehirn wichtig. Während wir schlafen, sortieren wir Erlebtes und Erinnerungen. Nicht zuletzt ist erholsamer Schlaf wichtig für unsere mentale Gesundheit und unsere Resilienz: Menschen, die ausgeschlafen sind, gelten als emotional ausgeglichener, besser gelaunt und haben eine bessere Fähigkeit, ihre Emotionen zu regulieren und zu bewerten.
Im Schlaf findet außerdem die Schmerzmodulation statt: Während des Tiefschlafs erfolgt die Freisetzung von Endorphinen, körpereigenen Schmerzmitteln, die die Schmerzwahrnehmung dämpfen. Schlafstörungen, insbesondere Tiefschlafmangel, führen nicht nur zu einer Erniedrigung der Schmerzschwelle, sondern gleichzeitig auch zu einer erhöhten Aktivierung des zentralen Nervensystems. Dies bewirkt, dass Schmerzreize verstärkt an das Gehirn weitergeleitet werden und sich die Schmerzempfindung intensiviert. Schmerzen werden folglich stärker wahrgenommen. Dieser Teufelskreis kann eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität darstellen. Die verstärkte Schmerzempfindlichkeit kann dazu führen, dass alltägliche Aktivitäten, die für gesunde Menschen unproblematisch sind, für Arthrosepatienten mit Schlafstörungen zu einer Herausforderung werden. Dass Schmerzen nachts stärker sind, ist wissenschaftlich erwiesen: Ein französisches Forscherteam des Inserm im Forschungszentrum für Neurowissenschaften (CNRS) in Lyon fand heraus, dass die Empfindlichkeit gegenüber Schmerzen nachts ihren Höhepunkt hat und nachmittags zurückgeht – unabhängig von äußeren Reizen und dem Schlaf-Wach-Zyklus.
Das Team konnte zudem einen weiteren Zusammenhang nachweisen: Die Schmerzempfindlichkeit steigt linear mit dem Schlafmangel an – je ausgeprägter der Schlafmangel, desto höher auch die Intensität des empfundenen Schmerzes. Als wäre nächtliches Wachliegen nicht schon schlimm genug, empfinden Arhrose-Patienten dann zusätzlich ihre Schmerzen auch noch stärker. Die Folge können Ängste und Depressionen sein. In der Wissenschaft besteht Konsens darüber, dass der Zusammenhang zwischen Arthrose, Schlafstörungen und Depressionen komplex ist. Einige Untersuchungen behaupten, dass Patienten mit schmerzhafter Kniearthrose eher unter gestörtem Schlaf, Depressionen und hoher Schmerzsensibilität leiden. Es bleibt jedoch weiterer Forschungsbedarf, um die genauen Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren zu verstehen.
Ein gesunder Schlaf kann nicht nur Schmerzen lindern, sondern auch die körperliche Aktivität fördern, was wiederum den Schlaf verbessern kann. Wer nachts tief und erholsam schläft, ist tagsüber fit für Bewegung und Sport und kann dadurch nachts wiederum besser schlafen. Bewegung ist ein wichtiger Baustein in der Arthrose-Therapie. Lange Zeit wurde Arthrose als reiner Verschleiß betrachtet, doch diese Sichtweise ist irreführend. Gelenkknorpel besteht nicht aus totem Gewebe, sondern enthält lebendige Zellen. Beim Bewegen und Belasten des Gelenks wird der Knorpel wie ein Schwamm „ausgepresst“, wodurch Abbauprodukte des Stoffwechsels abtransportiert werden. Wenn das Gelenk anschließend entlastet wird, nimmt der Knorpel nährstoffreiche Gelenkflüssigkeit auf. Ein Gelenk erfordert daher den Wechsel zwischen Belastung und Entlastung. Gelenke, die nicht regelmäßig bewegt werden, „verhungern“ förmlich. Ideale Aktivitäten, um die Gelenke zu unterstützen, sind moderate bis intensive Belastungen wie Walken, moderates Joggen, Krafttraining und Spazierengehen. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Bewegung zur Schmerzlinderung sogar effektiver sein kann als die Einnahme von Schmerzmitteln. Zudem tragen Bewegung und Muskelaufbau dazu bei, die Gelenke zu entlasten und einseitige Belastungen auszugleichen. Therapieansätze zielen in erster Linie darauf ab, Schmerzempfindlichkeit zu reduzieren. Dies kann durch nicht-medikamentöse Ansätze wie Physiotherapie und Entspannungstechniken erreicht werden. Auch Osteopathie kann hilfreich sein: „Wir können mit sanften vegetativ senkenden osteopathischen Maßnahmen auch in Verbindung mit Hypnose, Entspannungskursen und Resilienz-Therapie einen besseren Schlaf unterstützen“, erklärt Osteopath Dirk Breitenbach. In anderen Fällen kann zusätzlich eine medikamentöse Therapie hilfreich sein. Um den Schlaf zu optimieren, empfiehlt sich eine Schlafanalyse mithilfe eines Schlaftagebuchs und eines Schlaftrackers. Schlaftracker gibt es in Form von Uhren, Ringen oder Matten, die man zwischen Bettlaken und Matratze platziert. Sie überwachen den Schlafrhythmus und zeichnen ihn zu Auswertungszwecken auf. Im Schlaftagebuch lässt sich festhalten, wann man zuletzt vor dem Zubettgehen gegessen hat, wie viel Stress man tagsüber hatte, ob man sich tagsüber bewegt hat oder wie stark Schmerzen aufgetreten sind. Wenn man diese Eintragungen mit der Schlafanalyse des Schlaftrackers abgleicht, lassen sich im Laufe eines längeren Zeitraums Zusammenhänge zwischen Verhalten und Schlafqualität ableiten. Mit diesen Kenntnissen lässt sich die Optimierung des Schlafes umsetzen.